Theodor Sinnstein: Erinnerungen eines Krippenexperten

Erinnerungen von Theodor Sinnstein an den Stellenwert von Weihnachtskrippen anno dazumal.

Die Lebensgeschichten der zwischen 1930 bis 1945 Geborenen sind geprägt vom nationalsozialistischen Regime und Verboten, die auch das Familienleben beeinflussten. Manche aus früher Kindheit bekannte Bräuche wurden plötzlich verboten. Dazu gehörten kirchliche Feiern mit Ritualen, die für ihre Eltern und Großeltern wichtig waren, wie das Aufstellen einer Weihnachtskrippe.

 Solche Brüche, verknüpft mit den leidvollen Auswirkungen des Zweiten Weltkriegs, hinterließen bei vielen „Kriegskindern” einen tiefen Eindruck. Nach Kriegsende wünschten sich darum viele Familien eine Rückkehr zu früheren Bräuchen. Die Krippe als Sinnbild des Familienlebens und der verloren gegangenen Werte feierte ein Comeback, das noch heute anhält.  

Der Trend zur selbst gebauten Krippe hatte Vorarlberg schon in den 1920er Jahren erfasst. In vielen Gemeinden wurden Krippenbauvereine gegründet. Wie 1924 der Verein der „Krippenfreunde Rankweil”, der 1933 bereits 70 Mitglieder hatte. Manch Rankweiler Kind bestaunte nun eine von jungen und alten Familienmitgliedern selbst gebaute Krippe. Nach 1946 wurde der in der NS-Zeit verbotene und aufgelöste Verein von seinem alten Obmann Josef Irgang wieder „zu neuem Leben” erweckt.

Frauen viele Jahre lang federführend
Theodor Sinnstein erinnert sich, dass seine Großeltern die alte Weihnachtskrippe der Familie in den 1920er Jahren selbst gebaut haben. In der NS-Zeit verboten, wurde sie dann nach 1945 wieder hervorgeholt und instandgesetzt: „Der Großvater kümmerte sich um die Elektrik, die Großmutter machte alles andere und kümmerte sich um neue Figuren.” So kam es, dass die „Krippenfreundin” auch Krippenfiguren in das Sortiment des Geschäfts aufnahm. „Damals nach dem Krieg kamen zwei Vertreterinnen ins Geschäft”, erzählt Sinnstein, „die mit einem Köfferchen durchs ganze Land reisten.” Sie verkauften Krippenfiguren der Marke „Marolin” aus Thüringen in Deutschland, seit 1949 DDR. Die Modellbaufirma „Marolin” wurde vor allem „von Frauen geführt”, erzählt Sinnstein. Die „Prototypen” waren traditionelle, holzgeschnitzte Tiroler Krippenfiguren, die sich die meisten Leute nicht leisten konnten. Für den Guss verwendete „Marolin” eine besondere Mischung aus Papiermaché. So waren die handkolorierten Figuren feiner, leichter, stabiler, preisgünstiger und trafen mit ihrem „bäuerlichen” Stil den Nerv der Zeit. In der Firma „Sinnstein” waren auch viele Jahre lang zwei Frauen federführend. Bis 1959 war es Luise Sinnstein, die das Geschäft ihrer Mutter weiterführte und sich um alles „Sakrale” kümmerte. Dann übergab sie die Leitung an ihren Neffen und „Gotakind” Theodor, der sich auch schon als Kind in die Krippenfiguren „verliebt” hatte. Kinder durften die Krippe aber nicht berühren: „Net ini langa” (Nicht hineingreifen), hört er noch die Stimme seiner Großmutter, die in diesem Punkt streng gewesen sei, und betont: „Krippenfiguren sind kein Spielzeug!”

 THEODOR SINNSTEIN, 82 JAHRE
Theodor Sinnstein leitete seit seinem 18. Lebensjahr das Familiengeschäft in der Ringstraße, das er 2000 an seinen Sohn Martin weitergab. Im Video (siehe oben) erzählt der Zeitzeuge von seiner ledigen Tante Luise, die sich für sakrale Kunst interessierte, Paramenten-Stickerin war und sich auch für die Weihnachtskrippe der Bergkirche mit Figuren von einem Rankweiler Holzschnitzer namens Hämmerle einsetzte. Außerdem beschreibt er detailliert die Figuren, die zu einer Krippe gehören und die Besonderheiten der „Marolin”-Figuren, die sich bis heute nicht geändert hätten: Dieselben Farben und Formen, dynamisch und bäuerlich, weswegen es mehr „Heimatkrippen” und wenig „orientalische” Krippen gäbe. Ein spezieller Tipp des Krippenbauexperten: Er verrät uns einen Ort in Übersaxen, wo es das beste, feinste Moos gibt.

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Rankweil extra Dezember 2023

 

erstellt von Beatrix Spalt veröffentlicht 01.12.2023