Geschichten, die das Leben schreibt: Herbert Geringer

Gartenexperte Herbert Geringer blickt im Zeitzeugengespräch mit Margarete Zink auf die Geschichte seiner Familie zurück.

Der Gartenexperte Herbert Geringer blätterte während des Interviews am 11. November 2021 in einer großen, in Leder gebundenen Familienchronik, die sein Vater im Jahr 1966 begonnen hatte. Josef Geringer (1921-1994) und seine Frau Anny (1919-2015) stammten beide aus Werschetz (serbisch Vršac) in der historischen Region Banat, heute Serbien, nahe der Grenze zu Rumänien. Die Chronik enthält viele Fotos aus dieser „alten Heimat“. Einige Bilder zeigen die schönen Parkanlagen von Werschetz, wo bis 1945 eine große deutschsprachige Bevölkerungsgruppe lebte. 

In den letzten Monaten des Zweiten Weltkrieges flüchtete Josef Geringer mit seiner schwangeren Frau und dem zweijährigen Sohn Herbert aus dem bombardierten Wien nach Vorarlberg, wo Fachkräfte gesucht wurden. Der 23 Jahre alte Student und Familienvater nahm eine Anstellung im landwirtschaftlichen Betrieb in Tufers an, der zur Wohltätigkeitsanstalt Valduna gehörte (heute "Sunnahof "). Ende April 1945 wurde Tochter Gertraud (Traudi) im Entbindungsheim in Rankweil geboren, während in Tufers noch geschossen wurde.

"Schulden gehabt wie Flöhe"
1948 konnte Josef Geringer im von den Russen besetzten Wien sein Studium an der Hochschule für Bodenkultur abschließen. 1950 machte er sich selbstständig, pachtete die Geflügelzuchtstallung in Tufers und betrieb eine Gärtnerei für Obst- und Beerengehölze. Seine Frau Anny und sein Cousin Karl Oswald, der nach dem Verlust seiner Familie
und Heimat in den fünfziger Jahren dazu stieß, standen ihm beim Aufbau des Unternehmens zur Seite. 1956 erwarb der Jungunternehmer einen Grund in Rankweil an der Stiegstraße 49 und errichtete ein Wohnhaus, einen Hühnerstall und eine Brüterei. Zwischen 1960 und 1968 wuchs das Unternehmen stetig. Laut Herbert Geringer waren es „die entscheidenden Jahre“: „Da haben wir den Grund zusammengekauft, haben gebaut, waren zuversichtlich, aber haben Schulden gehabt wie Flöhe.“ Die „härtesten Jahre“ seien 1955-1957 gewesen, erinnert sich Herbert Geringer: „Wir haben in Rankweil zu bauen begonnen, und bis  am Abend um ‚Zehne‘ hat man gearbeitet, ist dann nach Tufers gefahren, wo die Wohnung kalt war. Wenn wir aus dem Bett gestiegen sind, war die Bettflasche in der Frühe voller Eis. Das war so.“

Für Herbert Geringer ist seine Herkunft aus einer „Flüchtlingsfamilie“, die sich in Rankweil eine „neue Heimat“ aufbauen konnte, bis heute ein wichtiges Thema. „Das Wohnen hat für mich immer eine Bedeutung gehabt, weil ich das als Kind so hart erlebt habe."


Rosenzucht im Bifang, ab 1978
1956 bis 1959 entstanden das neue Eigenheim, der Geflügelhof mit "Brüterei" und ein Hühnerstall. Mit der Zeit kamen rund um den Geflügelhof in der Stiegstraße neue Nachbarn hinzu. Die Geflügelzucht und somit die Haltung von Zuchthähnen (250 Stück!) verursachten eine starke Lärmbelästigung. Gemeindearzt Dr. Frick erstellte ein Gutachten und Josef Geringer mit Juniorpartner Herbert Geringer suchten eine Lösung für das Problem: Ab Ende der siebziger Jahre trat die Rosenzucht an die Stelle der Geflügelzucht. Der Hühnerstall und die Brüterei wurden abgerissen und ein „Garten-Center“ mit Verkaufshalle errichtet, in den neunziger Jahren zum „Gartenpark Geringer“ ausgebaut.

Auf neu erworbenen Grundstücken im Bifang wurde zusätzliche Anbaufläche geschaffen. Seine Vision einer Parkanlage schildert Dipl. Ing. Josef Geringer in einem Schreiben vom 30. Dezember 1978 an Bürgermeister Dr. Thomas Linder: „Wir beabsichtigen diese Anlage kontinuierlich zu verbessern. Die Anlagen sollten nicht nur durch Plattenwege zu besichtigen sein. Es werden auch Ruhebänke aufgestellt und die Anlage sollte im Laufe der Zeit zu einem Park werden. Ein Park, in dem sich Produktion und Ausstellungspflanzen ergänzen.“ Einige Jahre konnte sich Josef Geringer noch an seinem Traum vom Gartenpark erfreuen, bevor ihn die damals noch nicht so bekannte Krankheit Alzheimer traf. Herbert Geringer schrieb einmal in Erinnerung an seinen Vater: "Ein Pionier, geprägt von Fleiß, Kompetenz, Weisheit, verlangte von sich und dem Partner totale Verausgabung für den
Aufbau des Unternehmens."

Wie alle „Häuslbauer“ und Pioniere im Bau-Boom der Fünfziger und Sechziger Jahre sparte Josef Geringer für ein Eigenheim, das in Eigenleistung mit wenigen Hilfsarbeitern errichtet wurde. Sein Glück aber machte er mit dem „Kartoffelkäfer“ und den neuen Methoden zur Schädlingsbekämpfung. Herbert Geringer erzählt: „Im Dr.-Frick-Haus, neben dem heutigen Rathaus, war hinter einer ‚Verlattung‘ mit Totenkopf und einem kleinen Vorhangschloss das Gift, vor allem Arsen, das die Alliierten zur Verfügung gestellt haben. Die Angst vor einer schlechten Kartoffelernte durch Schädlinge war so groß; damals war das modern, rückblickend verkehrt.“

Zur Person: Herbert Geringer
Ehemaliger Geschäftsführer des Gartenparks Geringer Rankweil, Journalist, Redakteur für Radio, Fernsehen und diverse Zeitungen wie Vorarlberger Nachrichten, Vorarlberger Rundfunk und ORF, verheiratet mit Kornelia Nussbaumer, drei Söhne, fünf Enkelkinder. „Ich versuche, meinem eigenen Leben zuzuschauen und bin zu dem Schluss gekommen, dass die Triebfeder sicher mein Vater war, und innerlich, dass ich ihn übertreffen wollte."

erstellt von Beatrix Spalt veröffentlicht 11.08.2023, zuletzt geändert 17.08.2023