Zeitzeugengespräch mit Ernst Herburger, 94 Jahre

Der Zeitzeuge Ernst Herburger ist bekannt als Seniorchef des Busunternehmens Nigg, das er von 1961 bis 1990 leitete. Gegründet 1924 vom Liechtensteiner Josef Nigg (1896-1961) entwickelte sich das Unternehmen von einem Pferdefuhrwerk hin zum ersten landesweiten Güterlinienverkehr mit Lastautos und später in der Nachkriegszeit zum Personenverkehr mit Omnibussen.

Ernst Herburger wurde am 19. Jänner 1926 als erster Sohn von Rosa, geb. Schmid (1903-1993) und Eugen Herburger (1899-1963) im Herkunftsort der Mutter in Amerlügen geboren. Sein Vater, ein gebürtiger Dornbirner, war dort Finanzwachebeamter. 1928 kam er als „Chauffeur” des ersten Lastautos zu Josef Nigg, dessen Frau Emilie, geb. Schmid (1893-1970) die Tante von Ernst Herburger war. Im Interview erzählt Ernst Herburger: „Als ich zwei Jahre alt war, sind wir in die Langgasse gezogen. Die Firma Nigg hat damals gerade den ersten Lastwagen gekauft, der hat uns mit den Möbeln von Amerlügen nach Rankweil in die Langgasse transportiert.”

In den Anfangsjahren transportierte die Firma Nigg vor allem Stickereiwaren von Rankweil nach Lustenau. „Rankweil war der Umschlagplatz”, erzählt Ernst Herburger. „Man ist täglich die Linien nach Bregenz, Feldkirch, Dornbirn, ins Montafon, Klostertal, Arlberg und zweimal in der Woche nach Innsbruck gefahren. Man hat alles transportiert: Kälber, ganze Räder Käse, auch Pakete und Briefe. Wenn ein Bauer etwas schicken wollte, hat er es einfach mitten im Dorf bei der Wirtschaft abgegeben, der Chauffeur hat es aufgeladen und am nächsten Tag angeliefert. Die meisten Kunden waren Firmen, die damals noch keine eigenen Transportmittel hatten. Wenn sie an der Straße ein Täfelchen aufhängten, auf dem ‚Nigg’ stand, haben wir schon beim Vorbeifahren gesehen, da muss man etwas mitnehmen.”

Von 1932 bis 1940 besuchte Ernst Herburger die Volksschule Rankweil und von 1942 bis 1943 die Handelsschule in Feldkirch. Das letzte Schuljahr musste er wegen einer schweren Erkrankung wiederholen. „Ich habe Glück gehabt, denn eine Hirnhautentzündung hat mich vor dem Weltkrieg gerettet. Ja, ich wäre auch drangekommen. Die Jahrgänger sind schon eingerückt.”, erinnert er sich. Ab 1943 arbeitete Ernst Herburger als Buchhalter beim „Nigg”. Vier der besten Lastautos samt

Fahrer wurden zum Wehrdienst eingezogen. Als Fahrer und Beifahrer, die immer beim Aufladen helfen mussten, wurden „Kriegsdienstverpflichtete” aus Holland, Belgien und Frankreich zugewiesen. Auch Russen gab es, die meist zum Holz „schitta” (hacken) eingeteilt wurden, und in der Küche arbeiteten zwei Ukrainerinnen, die damals im alten „Doktor-Frick-Haus” einquartiert waren. Der Gemeindepolizist hat ihre Ankunft „usgscheallat”: Mit einer „Schealla” (Glocke) geläutet und so in Rankweil die Mitteilung verkündet, dass man sich Arbeitskräfte holen könne.

Da es keinen Treibstoff gab, wurden die Lastwagen im Krieg auf „Holzvergaser” umgestellt. Hinter dem Haus in der Langgasse standen zwei Maschinen, die haben Holz gesägt und gespaltet. „Das war für die ‚Holzvergaser’, und jeder Lastwagen hat immer ein paar ‚Zoana’ (Körbe) Holz dabeigehabt, damit er es bis zum Abend ausgehalten hat. Wer im Büro war, musste oft Holz hacken”, erinnert sich Ernst Herburger.

Als Liechtensteiner war Josef Nigg weder kriegsdienstverpflichtet noch Parteimitglied der Nationalsozialisten. Aber zu seinen Kunden gehörten einige bekannte „Dornbirner Industrielle”, die nach 1945 im ehemaligen Reichsarbeitsdienst-Lager in Brederis interniert wurden. Ernst Herburger erzählt, dass Josef Nigg die „Dornbirner” für die Arbeit habe anfordern können, wodurch sie außerhalb des Lagers ihren Geschäften nachgehen konnten. Aber wenn eine Kontrolle durch die Besatzungssoldaten kam, mussten sie wieder an den Maschinen stehen. Ab den 1950ern begannen die Firmenkunden und Bauern damit, ihre Waren selbst mit eigenen Lastautos zu transportieren. „Das

war der Untergang für den Güterlinienverkehr”, erzählt Ernst Herburger. „Und so hat man zuerst nur mit einem Omnibus angefangen, denn der war in der Konzession von ‚Nigg’ eingeschlossen. Man hat am Anfang drei Konzessionen gehabt: Die erste nach Laterns, dann nach Meiningen bis Oberriet und nach Feldkirch bis zum Kurbetrieb Bad Nofels. Dafür hat der Wirt selbst angefragt, und am Anfang sogar eine Kleinigkeit mitgezahlt, damit wir vom Bahnhof Feldkirch dreimal täglich zum Bad Nofels fahren.”

Nach dem Tod des Firmengründers Josef Nigg im Jahr 1961 erwarb Ernst Herburger die Firma, baute den Linien-, Werks- und Reiseverkehr aus und verkaufte die Wohn- und Betriebsgebäude in der Langgasse an den Nachbarn, die Mosterei Rauch. 1968 wurde das heutige Areal an der Churerstrasse mit einem großen Fuhrpark, einem Wohn- und Verwaltungsgebäude eröffnet. 1990 übergab Ernst Herburger den Betrieb an seinen Sohn Alfred.

Interessierte können einen Abriss der Firmengeschichte der NIGGBUS GmbH, seit 1993 als gelbe Flotte des Stadtbus Feldkirch unterwegs, auf der Firmenhomepage niggbus.at/gestern nachlesen. 

erstellt von Karin Böhler veröffentlicht 04.03.2020, zuletzt geändert 10.06.2020