Egon Summer, 86 Jahre

Beim Zeitzeugengespräch mit Margarete Zink und Gemeindearchivar Norbert Schnetzer erinnerte sich Egon Summer an seine arbeitsame und erfinderische Kindheit in den 1930er und 40er Jahren des vorigen Jahrhunderts in Rankweil.


Der Rankweiler Zeitzeuge Egon Summer wurde 1933 in Schruns geboren. Seine Mutter arbeitete dort in der Hotellerie, der Vater bei den Illwerken. 1935 kehrte die Familie wieder nach Rankweil zurück und lebte bis 1946 in der Freudenau nahe der Frutz und der Spinnerei Rhomberg. 1943 und 1944 wurden eine Schwester und ein Bruder geboren. Als Ältester half Egon Summer schon früh mit, den Lebensunterhalt zu sichern und die kleineren Geschwister zu versorgen. Nach Kriegsende besuchte er die Handels-schule und wurde bei Ganahl in Feldkirch zum Webmeister ausgebildet. Seit 1962 bis in die 90er Jahre arbeitete Egon Summer bei der Firma Sulzer in der Schweiz. Mit seiner Schweizer Gattin zog er nach seiner Pensionierung wieder in das 1965 errichtete Haus im Seidengarten nahe beim Auwald.

Der Vater war ein Ur-Rankweiler
„Aber rein zufällig bin ich nicht in Rankweil geboren sondern in Schruns, am 13. Februar 1933. Weil das damals eine ganz schlechte Zeit war und der Vater arbeitslos wurde, kamen wir nach Rankweil retour. Nur in der eigenen Gemeinde gab es Notstandshilfe, und der Vater, ein gelernter Schneider, konnte in Rankweil Gelegenheitsarbeiten übernehmen. Ab 1935 lebten wir zuerst in der Fridolinsstraße und 1937 sind wir in die Freudenau ,gezügelt‘, an die Frutz.“

Die Frutz hat immer schon Angst gemacht
„Weil es immer wieder einmal ein ‚Überwasser‘ gab. Das Wasser ist dann in der Freudenau ,durchgeplätschert’. Und man hat natürlich aus der Frutz auch viel Holz gewinnen können. Das meiste ist nur Brennholz gewesen. Die Flözerei hat man damals schon eher vernachlässigt. Es sind nur Blöcke mit 2 oder 2,20 Metern gekommen, die vorne und hinten so verschlagen waren, dass es eine Riesenarbeit gewesen ist, da eine gerade Schnittfläche zu machen. Meine Arbeit mit sechs, sieben Jahren war es, die Steine links und rechts herauszuholen, damit man dort abschneiden konnte. Den abgeschnittenen Teil von 10 Zentimetern hat man dann als Brennholz haben können.“

Wir sammelten Abfall in der Au
„Nach 1939 mussten wir Schüler jeden Mittwoch Altmaterial sammeln. Alle, die ein ‚Handwägele‘ oder einen Karren hatten, sind zum Sammeln eingesetzt worden. Papier, Lumpen, Eisen, was nur möglich gewesen ist. Das Zeug haben wir am Bahnhof abgegeben. Aber wir haben dafür nichts bekommen, das war freiwillig. ‚Räder rollen für den Sieg‘ war die Devise. Wenn wir sonst nichts mehr fanden, sind wir auch der Au entlang gegangen, denn dort war die Abfallstelle von Rankweil. Traurig aber wahr. Wenn man ein altes ‚Klump‘ hatte, sagte man: ‚Das hätt’ ich schon längst in die Au geworfen‘.“

Statt Schule gab es Propagandavorführungen
„Im Löwensaal gab es die Wochenschau, das ist natürlich große Propaganda gewesen, und man hat angenommen, es ist richtig und stimmt so, was uns da vorgeführt worden ist. Die Klassen sind während der Schul-
stunden hingegangen. Der Krieg ist schon fast vorbei gewesen, Februar 1945, hat man uns die Bombardierung von Dresden vorgeführt. Diese Bilder habe ich nie vergessen, weil das an meinem Geburtstag war.“

Nach der Kirche sind wir am Fahnenmast gestanden
„Die männlichen Lehrer sind eingezogen worden zum Militär, und als Lehrerersatz hatten wir die pensionierten Lehrer. Die sind doch gar nicht interessiert gewesen. Was die uns unterrichten sollten, ist ihnen zuwider gewesen. Wir sind in die Kirche um halb acht, dann sind wir am Fahnenmast gestanden und haben ‚Kampfspiele‘ gemacht.“

Pro Kopf gab es eine Zeile Kartoffeln
„Im Ried hat die Gemeinde ein großes Stück umgeackert, dort hat es pro Kopf eine Zeile Kartoffeln gegeben. Eine Familie mit fünf Kindern hat fünf Reihen Kartoffeln gehabt. Wir Kinder mussten den Kartoffelkäfer einfangen, den sie aus den Flugzeugen abgeworfen haben, damit er nicht unsere Kar-toffelstauden frisst.“
Wer bei den Bauern arbeitete, hat zu Essen gehabt
„Wir haben gehütet und mit allen Mitteln ‚a klee Geald gmacht‘. Die Au ist umsäumt gewesen von Eichen, das war ein Windgürtel, und die Eichen sind interessant gewesen, um dort Maikäfer zu suchen. Kübelweise hat man die Maikäfer zusammensammeln können. Unter den Eichen gab es viele, und für so einen Kübel haben wir vielleicht 80 Pfennig bekommen.“

Die meisten Frauen waren im Krieg ohne Männer
„1939 bin ich in die Schule gekommen, und daneben habe ich Pferdemist gesammelt. Ich war als Pferdemistsammler bekannt, das ist gut gezahlt worden, weil es eine regelrechte Anbauschlacht gegeben hat. Die Frauen haben überall südseitig an den Hauswänden ein wenig Erdreich aufgemacht, und Pferdemist ist gefragt gewesen. Der Gärtner Rothmund hat damals schon Topfpflanzen gezogen. Die meisten Frauen waren ohne Männer und haben oft Hilfe gebraucht. Ich hab’ zum Beispiel geholfen, die Stangen der Wäscheleine aufzustellen und dafür ein bißchen Geld bekommen.“

Das ersparte Geld war 1945 nichts mehr wert
„Ich hab’ dadurch schon ein wenig Reichsmark gespart und ein Onkel hat gesagt ,Du musst ein Sparbuch haben, damit Du einmal ein Studium zahlen kannst, also spar schon sehr, sehr früh’. Das Sparbuch hat vielleicht 300 Mark drauf gehabt, als es im September 1945 eingezogen worden ist.“

Wir haben den Krieg auch in Rankweil mitbekommen
„Zum Beispiel war am Holzplatz ein Arbeitsdienstlager mit ‚Arbeitsdienst-Maiden‘ und einer SS-Truppe, die von einer Minute auf die andere weg war. Ihre Motorräder ließen sie zurück ohne einen Tropfen Benzin drin. Die kamen dann auf die Brücke über der Frutz und sind bei der Sprengung mit in die Luft gegangen. Überall sind Motorradteile herumgelegen in der Freudenau.”

Kaum jemand hat einen ganzen Kamin mehr gehabt, ganze Wände sind herausgefallen. Wir haben mitgelitten, wie bei Clothilde Dietrich nordseitig die ganze Stallwand gefehlt hat und man die Kühe drin sehen konnte.“

Überall hat man räumen können
„Die Front ist näher und näher gekommen. In Sulz gab es dort an der Frödisch, wo die Parkettfabrik Häfele war, seit 1940 eine geheime Fabrik der Dornierwerke aus Friedrichshafen. Ende März, Anfang April 1945 sind Autokolonnen gekommen mit Schweizer Kenn-zeichen. Das ist uns aufgefallen, denn man hat nur mehr selten Autos gesehen, nur Pferde und Kutschen. Wir haben dann nachgeschaut und die Büros waren besenrein, alles Know-how und die Spezialgeräte waren weg. In der Halle und davor standen zwei fertig gebaute Flugzeuge. Das waren Düsenjäger von Claude Dornier, aber noch ohne Düsentriebwerke. Das Material für mindestens 20 Flugzeuge blieb zurück. Aber bis zum Mai, als die ,Marokkaner’ kamen, war fast alles ausgeräumt.”

Duraluminium ist schon zum Staunen
„Nachdem nichts mehr Brauchbares herum war, Werkzeug überhaupt nicht, habe ich gedacht, ich nehme die Rumpfteile mit und mache ein Boot daraus. Das ist Duralumini-um, leicht zu transportieren. Wir waren in Miete, aber ich habe die Teile irgendwo unterstellen können. 1946 hat der Vater dann das Haus gebaut im Hopfengarten. Da war noch weit und breit sonst kein Haus. Wir haben dann die Teile immer genommen, um verschiedene Sachen abzudecken. Aber wenn ich denke, wie das immer gut gehalten hat. An Reinaluminium ist nicht viel dran, aber Duraluminium ist schon zum Staunen. Jetzt sind es bald 75 Jahre, dass ich diese Teile habe.“

Was gehört in ein Industriemuseum?
Mit diesem Thema beschäftigt sich aktuell das Wirtschaftsarchiv Vorarlberg. Derzeit werden Beiträge samt Fotos zur Industriegeschichte Vorarlbergs auf einer Website gesammelt. Auf dieser Homepage befinden sich u.a. auch schon Egon Summer’s Fundstücke aus dem Zweiten Weltkrieg. Wenn auch Sie Themen und Ausstellungsobjekte kennen, die Ihrer Meinung nach in ein Vorarlberger Industriemuseum gehören würden, können Sie Ihre Ideen auf meinindustrie.museum mit einem kurzen Text und Bildern hochladen.

Mehr Infos dazu finden Sie auf www.meinindustrie.museum.
Ein Projekt des Wirtschaftsarchivs Vorarlberg.

erstellt von Marktgemeinde Rankweil veröffentlicht 23.08.2019